Das Reinheitsgebot - und weshalb es Mist ist
Das Reinheitsgebot, das älteste Verbraucherschutzgesetz und eine Garantie der Bierqualität. Ein Beispiel für die Welt, wie Bier gebraut werden sollte, so wie es die Deutschen für Jahrhunderte getan haben. Gut-naja, nicht wirklich. Diese sind einige der Mythen, die ich hier besprechen möchte. Jeder denkt, daß er weiß, was das Reinheitsgebot ist und denkt, daß es echt super ist. Dies ist ein Versuch, einen objektiven Blick auf etwas zu richten, was ein sehr emotionales Thema sein kann.
Jetzt könnten einige Leute ein wenig entsetzt sein, und sich vielleicht sogar durch den Titel dieser Seite beleidigt fühlen , deshalb zuerst einige Worte der Erklärung : Deutsches Bier im allgemeinen wird zu einem sehr hohen Standard gebraut, den der Rest der Welt mit Recht beneidet. Leider scheinen viele Leute über die Gründe für die hohe Qualität des deutschen Bieres verwirrt zu sein. Insoweit ich es sehe, ist das Reinheitsgebot total irrelevant; Deutsches Bier ist gut, weil deutsche Brauer große Fachkenntnis haben und ihr Bier mit Stolz und Sorgfalt brauen.
Daß dies auch ohne die Beschränkung von Malz, Wasser, Hopfen und Hefe zu verwenden , möglich ist, kann durch viele, selbst auch deutsche Biere, nachgewiesen werden. Die Verachtung des Bieres aus der DDR- meistens wegen des angenommen minderwertigen Brauenstandards – finde ich total unrechtmäßig, und meistens auf reines Vorurteil gegründet. Ich kann mich erinnern, als in der DDR zum ersten Mal westdeutsches Bier auf den Markt kam. Was mich überraschte war, wieviel schlechter die importierten Biere gegenüber den angeblich minderwertigeren Gegenstücke aus der DDR waren. Ich konnte nicht begreifen, weshalb jedermann diese teueren, geschmacklosen Biere den eigenen örtlichen würzigen Bieren bevorzugte.Die Zeit hat gezeigt, daß dies nicht so geblieben ist. Sogar schon vor der Wiedereinführung des Reinheitsgebots im Osten waren die Leute zu ihren alten Lieblingen zurückgekehrt. Jedermann, der das seichte Abwaschwasser von Eschwege Pilsener mit dem wundervollen Mühlhäusener Pilsator verglich, müßte wissen, daß DDR-Bier einfach besser schmeckte.
Ich weiß, daß meine eine umstrittene Ansicht ist, weil viele Leute, einschließlich derer, die es wirklich besser wissen müßten, hypnotisiert sind durch das Argument der "Reinheit" des Bieres, und finden es schwer zu glauben, daß Bier mit anderen Bestandteilen nicht nur genau so rein sein kann, sondern auch genauso gut schmecken kann. Eine geldgierige kommerzielle Brauerei schafft es natürlich, ein minderwertiges Bier entweder mit oder ohne die Beschränkungen des Reinheitsgebot zu brauen. Das Problem ist, daß wenn man sich nur auf eine begrenzten Liste von Bestandteilen konzentriert, man im Kern einen Kompromiß über die Bierqualität der anderen Schlüsselbereiche erlaubt. Ich glaube, daß die Diskussion sich mehr um die Faktoren konzentrieren sollte, die wirklich zum Geschmack eines Bieres entscheidend sind: die Qualität der Bestandteile, die Lagerzeiten, die Pasteurisierung, die Filtrierung und die Karbonisierung. Ich denke, daß es zu einfach für viele deutsche Brauereien (und da nicht nur die großen ) gewesen ist, über der Einführung zweifelhafter Techniken zu plaudern und zu behaupten, daß sie noch ' reines ' Bier brauen. Es tut mir leid, aber ich kann leider nicht glauben ,daß ein gefiltertes, pasteurisiertes Bier, das nur kurz gelagert wurde, für den unwissenden oder unkritischen Kunden ein "reines ' Bier ist, bloß weil nur Malz im Sud war. Ich bin nicht für den Einsatz großer Mengen an Zusätzen im der Maische, aber ich weiß, daß ich es wahrscheinlich nicht bemerken würde, ob ein Bier 5% von Nichtmalz-Bestandteilen enthält; wohl aber daß es nicht lang genug gelagert worden ist. Die einzigste Sache, die für mich wichtig ist, ist daß das Bier schmeckt. Solange es gut schmeckt und nichts schädliches enthält, dann sollte der Brauer verwenden, was er will. Man muß bloß mal nach Belgien schauen um zu sehen, wie weit die Grenzen von dem, was als Bier verstanden wird, erweitert werden können. Einfach zu beharren, daß ein Bier gut ist, weil es ' rein ' ist, macht es jedem deutschen Brauer einfach, die Produktionskosten zu drücken, und doch ein "hochwertiges Produkt" zu liefern.
Seien wir mal ehrlich, es wird eine Menge schlechtes Bier gebraut in Deutschland. Es gibt auch eine große Menge sehr gut produziertes Bier, aber darauf zu bestehen, daß jedes deutsche Bier gut ist, ist doch lächerlich. Nicht jedes britische Bier ist gut, nicht jedes belgische Bier ist gut, sogar nicht jedes tschechische Bier ist gut. Vom karameligem, süßlich-verkochtem Geschmack eines massenproduziertem Altbiers über ein seifiges, süßes Helles bis zu einem eindimensionalen Pils, was wie Limonade mit Hopfenzusatz schmeckt, es gibt eine Menge von langweiligen bis sogar unangenehmen Bieren. Andererseits gibt es die in der Hausbrauerei gebrauten Altbiere von Düsseldorf als eines der feinsten Beispiele der obergärigen Biere in der Welt. Ein fränkisches ungefiltertes Kellerbier ist eine Offenbarung für jeden, der glaubt, daß untergärige Biere nie mit einem Ale für dessen Geschmack und Komplexität des Aromas konkurrieren könnten. Ein bayerischer Weizen, mit seinem Bouquet an Gewürzen - Koriander, Nelken und sogar Banane - kann durch dessen beschränkte Auswahl an Bestandteilen verwirren und dadurch die Aromen einer Gewürzmühle erzielen. Es gibt eine große Vielfalt und vieles, auf was die deutsche Brauwelt stolz sein kann.
Nach dieser Erklärung oder vielleicht auch Entschuldigung: hier sind meine Gründe, weshalb ich glaube, daß das Reinheitsgebot Unsinn ist:
Angesichts der Anzahl von Brauereien wie sie Deutschland besitzt, gibt esverhältnismäßig wenig Bierarten. Bayern, mit seinen Hunderten Brauereien hat nur eine Handvoll unterschiedlicher Arten. Belgien andererseits mit seiner offenen Beziehung zu den Bestandteilen, hat fast ebenso viele Arten wie Brauereien. Sogar Österreich mit seinen bloß ungefähr 60 Brauereien handhabt mehr unterschiedlicher Arten des Bieres als ganz Deutschland zusammen.
Einige fehlgeleitete Menschen haben, ohne an die Konsequenzen zu denken, die Einführung des Reinheitsgebotes auf die gesamte EG vorgeschlagen. Welche Katastrophe wäre dies für die Artenvielfalt und Auswahl für den Biertrinker ! Belgische Biere mit Früchten und gewürzte Biere, das finnische "sahti", sogar das traditionelle " Guinness", wären nicht länger erhältlich. Was man wirklich bräuchte wäre ein Gesetz, was die Brauer zwingt, die Inhaltsstoffe auf dem Etikett zu vermelden , wie es schon in den skandinavischen Ländern der Fall ist. Dann würden die Konsumenten sehen, was sie kriegen und können so eine kluge Auswahl treffen. Ich selber will meine Auswahl an Bieren nicht von einem mittelalterlichen Gesetz beeinträchtigt sehen, was bayrische Bauern dvon abhalten sollte, ihr Getreide zu verbrauen, anstatt es in Mehl zu mahlen.
Es folgt der Text des Reinheitsgebotes. Bitte achten Sie auf die viel längere Zutatenliste in Paragraph 2, wo steht, was für obergärige Biere gestattet ist.
© Ron Pattinson